Werder Bremen – neben Punkten fehlen vor allem Empathie,
Transparenz und Kompetenz
Werder Bremen steht mal wieder vor einer entscheidenden
Woche. Am kommenden Wochenende können es die Grün-Weißen zwar noch aus eigener
Kraft schaffen, sich zumindest in die Relegation zu retten, aber was kommt
dann? Der Verein, bzw. die KGaA ist mittlerweile hoch verschuldet, es müssen
mindestens 10 Mio EUR netto als Transferplus erwirtschaftet werden, was widerum
die Wettbewerbsfähigkeit der kommenden Saison arg in Frage stellt.
Natürlich steht die sportliche Rettung jetzt an erster
Stelle, aber das sollte nur für die Operative gelten, denn wenn jetzt nicht hinterfragt,
wie es dazu kommen konnte, wann denn dann? Nach einer möglichen Relegation?
Nach dem Urlaub? Nein, jetzt ist es an der Zeit, Werder Bremen einmal von Grund
zu durchleuchten.
Unabhängig von der sportlichen Leitung, dem Aufsichtsrat und
dem Vorstand, zu denen man stehen kann, wie man mag, liegt meines Erachtens das
Problem nicht in einzelnen Führungspositionen, sondern in drei grundsätzlichen
Punkten: Empathie, Transparenz und Kompetenz
Das alte Modell hat ausgedient
Werder Bremen wird in meinen Augen geführt, wie ein
traditionelles, hanseatisches Handelshaus, in dem die Geschäftsleitung
Entscheidungen debattiert, die Verantwortlichkeiten der anderen nicht oder zu
spät in Frage stellt und dann geschlossen die Ergebnisse präsentiert. Das hat
in Bremen Tradition und das hat im 19. & 20. Jahrhundert auch wesentlich
zum Erfolg der Hansestadt beigetragen. Allerspätestens mit dem sportlichen
Niedergang von Werder und dem zeitgleichen Wandel der Gesellschaft ist aber
verpasst worden, Reformen anzustoßen, die den SVW fit für die modernen
Herausforderungen gemacht hätten.
In der heutigen, mittlerweile sehr digitalen Gesellschaft,
die jedem Menschen den Zugriff auf unzählige Informationen erlaubt, irritiert
es die Menschen, wenn sie Entscheidungen und deren Entstehungswege nicht mehr
nachvollziehen können. Moderne Führung heißt heutzutage, transparent und offen
zu kommunizieren, Personalentscheidungen klar zu begründen und vor allem eine
strategisch zu agieren, indem Strukturen geschaffen werden, in denen Positionen
nach der besten Kompetenz besetzt werden und nicht Kompetenzen an Bord geholt
werden, auf die dann Positionen zugeschnitten werden. Was dann nämlich passiert
ist, dass ähnliche Kompetenzen auf verschiedenen Rollen die Geschicke leiten
und Innovationen ausgebremst werden.
Nehmen wir als Beispiel mal die finanzielle Situation.
Während die sportliche Leitung weiter hauptsächlich die traditionellen
Einnahmequellen im Blick hatte (Besucher, Sponsoren, Spieler, Merchandising),
die in der Pandemie auf Grund von Geisterspielen und natürlich dem Wertverlust
durch die sportliche Talfahrt deutlich geringer ausgefallen sind, wurde die
Chance außer Acht gelassen, die Misere in eine Chance zu kehren. Während
nämlich die Spiele durch die fehlende Atmosphäre an Reiz verloren haben und die
Menschen mehr denn je getrennt voneinander waren, stieg die Sehnsucht in allen
Teilen der Gesellschaft, zu einer Gemeinschaft zu gehören. Der Wunsch, sich
auszutauschen, wieder zu einem Ereignis dazu zu gehören ist größer denn je.
Hier steckt nicht nur ein riesiges emotionales, sondern auch finanzielles
Potenzial. Die „Werder Experience“ in digitaler Form, in Kleingruppen, in
regionalen Treffs etc. unter die Leute zu bringen hätte einen großen Aufwand
verursacht, aber wie gesagt auch ein großes Potenzial entfalten können.
Neue Wege gehen - die Menschen wieder verstehen
Stattdessen geht Werder mit der „Kurvenheld-Aktion“ in die
Analen der unglücklichsten Finanzierungsaktionen ein. Ich kenne niemanden, der
für einen Becher, Aufnäher und Selbstabholer-Träger seinen dreistelligen Betrag
dem Verein überlassen hat. Sicher gab es welche, aber waren die glücklich? Oder
sind sie es noch? Das bezweifle ich. Emotional war es ein GAU, denn alle die,
die jahrelang in den Fankurven des Weserstadions oder Auswärtsstadien standen,
wurden vor den Kopf gestoßen, weil die wahren Kurvenhelden nun die sind, die
den Status käuflich erwerben konnten. Keine besondere „Experience“.
Die Fans wurden alleine gelassen in der Pandemie. Werder
hatte ja auch genug mit sich zu tun, aber genau deshalb hätte man entsprechende
Kompetenzen losgelöst vom sportlichen Bereich schaffen müssen, zumal es nicht
nur um die Bestands-Fans geht, sondern um das Potenzial aller neutralen Fans,
die ebenfalls eine Unterhaltung gesucht haben.
Mit etwas Empathie und totaler Offenheit und Transparenz
hätte man den Anteil der spendenden Fans dramatisch erhöhen können. Das gilt im
Übrigen für die laufende Saison genauso!
Gleiches gilt für den Merch-Shop. Auch hier gilt es, neue
Wege zu gehen, da gerade die jüngeren Fans eher zu Produkten greifen, die nicht
dem klassischen Outfit entsprechen. Es geht nicht um die Werder-Raute in allen
erdenklichen Variationen, sondern um den persönlichen Bezug zum Verein, der
Stadt oder der Region. Kooperationen mit Ultra-Gruppen, lokalen Künstlern oder
Geschäften, die per se Produkte für die Zielgruppe erstellen, sind da sehr
naheliegende Ideen.
Moderne, neue Wege der Vermarktung, ein Einbinden der
Gesellschaft und der Fans (und sei es nur durch offene Kommunikation) und neue
digitale Wege wären ein wichtiger Schritt für die Zukunft. Egal, wie der
Trainer heisst und egal in welcher Liga Werder spielen wird.
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