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Neu in der Welt der großen Fußballunterhaltung?

Es ist jedes Jahr das Gleiche. Mit dem Start in die neue Saison stehen viele Menschen vor einem bislang unbekannten Mysterium, dem Bundesligaspieltag. Besonders betroffen sind Bewohner aus Aufstiegsstädten, die jetzt auch in die große weite Welt der Bundesliga eintauchen wollen, Neu-Jahreskartenbesitzer, Neugierige und Jugendliche, die nun auch endlich mal alleine ins Stadion dürfen. Alle diese eint, dass sie bereits grundsätzlich eine Affinität zum Fußball mitbringen und der Kulturschock daher nicht so einschneidend ist.

Ganz anders aber trifft es die "Mitbringsel", die von dem neuen Freund oder der neuen Freundin in einem Überschwang der Hormone mit ins Stadion geschleppt werden und noch nie etwas mit Fußball zu tun hatten, ja in vielen Fällen sich sogar durchaus abfällig geäußert haben. Damit der erste Tag im Stadion nicht gleich der letzte in der Beziehung sein muss, finden sich nachfolgend einige sehr nützliche Tipps zum Umgang im Stadion und Erklärungen über den Fan an sich.

Vorab ist es ganz wichtig zu wissen, zu welcher Art Stadionbesucher denn die Begleitung zählt. Man unterscheidet im Wesentlichen Fans und Zuschauer. Fans sind diejenigen, die meist gut ausgestattet in Fanutensilien bereits ab Mittag nervös in Richtung Stadion pilgern, gerne bereits ein flottes Lied auf den Lippen haben und in freudiger Erwartung frühzeitig IHREN Platz im Stadion beziehen, um schon mal Stimmung zu machen. Der gemeine Zuschauer hingegen wird erst nervös, wenn sein Sitzplatz in der Gegengrade von einer fremden Person besetzt ist, trägt maximal einen frisch gewaschenen Schal und hat eine durchschnittliche Stadionaufenthaltszeit von 115 Minuten. Diese überschreitet er nur, wenn er zu den VIP-Gästen zählt und im Anschluss noch das leckere Buffet nutzen möchte. So grundverschieden beide Spezies auch sind, so sehr haben beide eine Existenzberechtigung. Die Fans peitschen die Mannschaft nach vorne, kaufen die Fanutensilien, reisen auch zu Auswärtsfahrten und vertreten den Verein sichtbar nach außen, während der Zuschauer mit seinem höheren Preis Geld in die Kasse bringt. So leben beide in Parallelwelten nebeneinander her.

Für einen Zuschauer ist der Stadionbesuch vergleichbar mit einem Kinobesuch. Er fährt so hin, dass er maximal 10 Minuten vor dem Anpfiff aus seinem Platz sitzt und verlässt diesen direkt nach Abpfiff, um pünktlich den nächsten Termin wahrzunehmen. Einige Varianten des Zuschauers gehen sogar 10 Minuten vor Abpfiff, um nicht in den Stau zu kommen.

Für den Fan ist das Spiel selber eigentlich nur das notwendige Übel eines schönen Tages unter dem Stern des Lieblingsvereins. Was man als Fan an einem Spieltag liebt, ist die Vorfreude in den Kneipen, das Fachsimpeln mit den Kumpels, sich auszumalen, was alles Tolles passieren kann, über Spieler zu schimpfen und die Gegner auf die Schippe zu nehmen. Das Schöne daran ist, dass dies alles unabhängig vom Ausgang des Spieles ist, weil es ja im Vorfeld stattfindet. Der gemeinsame Weg vom Treffpunkt (es ist übrigens immer der gleiche Treffpunkt) ins Stadion, bei dem die Nervosität fast greifbar wird, lässt das Adrenalin so ansteigen, dass die Gespräche nach und nach weniger umfangreich werden. Mit dem Betreten des Stadions mutieren sie in einfache Aneinanderreihungen von Subjekt, Prädikat, Schimpfwort. Die Mannschaftsaufstellungen werden gefeiert und mit dem Einmarsch der Mannschaften ist dann fast der Höhepunkt vorüber. Ab da besteht der Fan eigentlich nur noch aus Adrenalin und wird zu einer Marionette seiner Leidenschaft. Es wechseln sich Aufstehen, Aufregen, Aufschreien mit Singen, Schimpfen, Schreien und wenn man Glück hat auch mit Jubeln ab. Egal wie das Spiel ausgeht, wird der Fan das Stadion ein wenig heiser und fertig verlassen und zum Treffpunkt gehen. Dann wird das Spiel analysiert und Bier getrunken, oft bis später in den Abend. Der Tag an sich war genau das, was Fussballfans schnöde mit "Heimspiel" beschreiben. Man muss es aber erleben, um es zu verstehen. Und das ist nicht so einfach, denn auch wenn man den Fussballfan jetzt versteht, gibt es einige Verhaltensweisen, auf die man achten sollte:

  1. Das Outfit
    Vor dem ersten Spiel sollte man dezent ausgestattet erscheinen. Perfekt ist ein Fanschal, mehr nicht. Trikots sagen aus, dass man schon länger dabei ist und man daher auch mitreden kann. Absolut kontraproduktiv sind die Funartikel aus den Abgründen der Merchandisingindustrie, wie Biene-Maja Haarreifen, lustige Zipfelmützen etc. Damit ist man nicht nur im normalen Leben der Depp, sondern auch im Stadion.

  2. Der Treffpunkt
    Ist eine Bezeichnung für eine Kneipe, eine Tankstelle, eine Straßenecke o.ä. wo sich die ganz Gruppe schon länger trifft, als sie denken können. Niemand nennt ihn beim Namen, denn jeder weiß eh Bescheid, wo und wann das ist. Nachfragen sollte man unbedingt vermeiden, denn das beweist sofort, dass man keine Ahnung hat. Lieber unauffällig nachhaken, in dem man fragt "ich komme von der S8, wie komme ich da am besten hin". Die Zeit ist eh egal, da man im Normalfall dort bis ca. 60 min vor Spielbeginn steht.

  3. Die Begrüßung
    Ist man neu in der Gruppe, schaut man bei der Vorstellung einmal in die Runde und begrüßt alle mit einem "Moin Männer ich bin xy (Spitzname oder Vorname)", wobei die Anrede der regionalen Mundart angepasst werden sollte. Auf keinen Fall die Hand geben. Längere Erklärungen sind auch nicht angebracht, da hört eh keiner zu. Fans sind eine eingeschworene Gemeinschaft und müssen von sich aus auf einen zu gehen und keine Sorge: das wird passieren. Ein Beschleunigungsmechanismus kann eine Runde Jägermeister sein…

  4. Die Gespräche
    Jeder Fan hat in der Mannschaft Lieblingsspieler und Spieler, die eigentlich immer Schuld sind, wenn etwas Unerwünschtes passiert. Beide sind sehr wichtig für das Gleichgewicht beim Fan. Seine Meinung ändern wird er eh nicht, egal was passiert, aber darüber reden macht er gern. Man kann mit Fans ins Gespräch kommen, sollte aber darauf achten, dass man vorher einmal zugehört hat, über wen sie sich aufregen. Jede Mannschaft hat bis zu 2 Spieler, die bei den meisten Fans ganz hinten in der Beliebtheitsskala stehen und welche die ganz oben stehen. Diese wären ein einfaches Entrée.


     

  5. Der Meckerpott
    Jede Fangemeinschaft hat einen Meckerpott, Grattler oder halt ewigen Pessimisten. Der schimpft immer über den Verein, die Spieler, das Wetter, den Gegner und alles sonst. Das Gute ist, er meint es auch so, aber das ist egal, weil es jeder weiß und keiner beachtet. Man erkennt ihn übrigens auf den ersten Blick daran, dass er als einziger gegen die eigene Mannschaft getippt hat. Besonders schwere Fälle tippen übrigens immer 0:0 - das Horrorergebnis aller Fans.

  6. Pfeiffen
    Ist streng verboten. Selbst bei der größten Grütze pfeift man seine eigene Mannschaft nicht aus. Sollte man dennoch mal aus Versehen im Überschwang der Gefühle einen Pfiff ausstoßen, kann man auf die Runde Jägermeister zurückkommen und die Wogen glätten.

  7. Geräusche
    Einige Menschen neigen dazu, in spannenden Situationen Geräusche zu machen. Das geht gar nicht! Quietschen, Kreischen (vor allem von unseren weiblichen Fans) oder ähnliches bei Torschüssen kann zu sofortiger Missachtung führen, wobei insbesonders höhere Töne der Tonleiter außen vor gelassen werden sollten. Sollte ein solches Geräusch aus einem heraussprudeln kann man dies nur mit einem nachgeschobenen Kraftausdruckt (Heilige Sch****, F***) wieder retten, wenn man nicht schon wieder eine Runde holen will.

  8. Geruch
    Was auch immer am Treffpunkt, im Stadion oder auf dem Weg ins Stadion an unangenehmen Gerüchen auftaucht – ignorieren, es sei denn man möchte sich eine mind. 1 Stunde dauernde Geschichte anhören, wann das Trikot das letzte Mal gewaschen wurde, welche Spiele es seitdem gesehen hat und warum man es nie waschen würde. Vor allem zu späterer Stunde sollten solche Kommentare vermieden werden, sonst wird der Abend kürzer als man denkt.

  9. Fangesänge
    Niemals den Nachbarn fragen, was denn da gerade gesungen wird. Oftmals weiß er es auch nicht, will es sich aber auf keinen Fall anmerken lassen. Diese peinliche Situation könnte er sehr übel nehmen. Einfach wie der Nachbar so tun, als kenne man den Text.

  10. Begrifflichkeiten
    Fans identifizieren sich mit ihren Verein. Sie sprechen nie in der 3. Person vom Verein, sondern immer mit "wir". In Diskussionen mit gegnerischen Fans wird allgemein respektvoll von "Ihr" und "wir" gesprochen. "Dein Verein" wäre eine Missachtung der Regeln und könnte nur durch….ich glaube das System ist klar.

Ich wünsche allen einen tollen ersten Stadionbesuch – es wird nicht Euer letzter sein, wenn Ihr es richtig macht

In dem Sinne

Wir müssen gewinnen, als andere ist primär

Euer Sportkamerad Sascha00


 

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