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Faszination Fußballgott


Was auf den ersten Blick etwas blasphemisch erscheint, ist ein feststehender Begriff in deutschen Stadien. In nahezu jeder Spielstätte ertönt in ganz bestimmten Situationen die Huldigung eines Spielers mit dem Zusatz "Fußballgott". Der ungeübte Zuschauer dürfte sich bei der Auswahl der Spieler ab und an die Augen reiben, weil er nicht zwingend diesen Kicker mit dem Begriff in Verbindung gebracht hätte. Deshalb finde ich, dass es der Aufklärung des Phänomens "Fußballgott" bedarf.
Da der Begriff nicht wirklich definiert ist, wird er auf sehr unterschiedliche Art und Weise genutzt. Entstanden ist er in den 70er Jahren, als Bezeichnung für Spieler, die in der Lage waren, überirdisch Leistungen abzurufen und Besonderes mit dem Ball anzustellen. Der erste bekannte Fussballgott war daher auch kein geringerer als Pele, der, wie kein anderer für Extravaganz und Stil im Fußball steht. Ihm folgten Spieler wie Uwe Seeler, die gar nicht mal vergleichbar gut, aber zumindest vergleichbar beliebt waren. Insbesondere die Medien sprachen von einem Fußballgott, um bestimmte Situationen möglichst stark beschreiben zu können, die Fans hielten sich im Wesentlichen zurück.
In den 80er und 90er Jahren wandelte sich die Nutzung allerdings deutlich, als der Fußballgott plötzlich zu einer gottähnlichen Figur stilisiert wurde, quasi dem Vertreter der göttlichen Fußballabteilung. Er wurde immer dann angerufen, wenn Spiele oder Ergebnisse (gefühlt) ungerecht ausfielen. So lernten wir zum Beispiel Anfang des Jahrtausends, dass der Fußballgott kein Schalker sein kann, weil ihnen durch einen allerletzten Freistoß der Saison die Meisterschale doch noch weggeschnappt wurde. Positiv wurde der Fussballgott aber auch gerne als Verantwortlicher eines Fussballwunders hochstilisiert, meistens dann, wenn der mittlerweile häufiger genutzte Begriff nicht mehr ausreichend für die Geschehnisse auf dem Rasen war. Bayer 05 Uerdingen machte seinerzeit bei dem denkwürdigen 7:3 Rückspielsieg, nach verlorenem Hinspiel und 1:3 Pausenrückstand, den Anfang. Durchaus nicht unberechtigt, denn die Aussage des Liberos Matthias Herget damals "wir haben in der Pause gesagt, jetzt gehen wir raus und gewinnen noch", spricht nicht unbedingt dafür, dass eine ausgeklügelte Taktikveränderung die Wende brachte.
Nun, das alles hat nichts mit dem zu tun, was seit Jahren lauthals in den Stadien seitens der Fans skandiert wird. Diese beweisen damit wieder einmal ihren ausgesprochen großen Sinn für Humor und Selbstironie. Fußballgötter im Fansinn sind Spieler, die hauptsächlich dadurch auffallen, dass sie mit großer Leidenschaft spielen, einen besonderen Bezug zu dem Verein haben oder sich durch ungeschicktes aber sympathisches Verhalten in die Herzen der Fans gekickt haben. Der bekannteste dieser neuen Göttergeneration war Jürgen Kohler, der in Dortmund mit beinhartem Einsatz auf dem Platz und adäquaten Interviews einen herausragenden Stellenwert in der Fangemeinde innehatte. Fortan hallte es durch das Westfalenstadion (ja, auch Dortmund hatte mal einen echten Stadionnamen) bei jeder gelungenen Aktion des Spielers "Jürgen Kohler Fußballgott". Es ist ein liebevoller, nicht ganz Ernst gemeinter Ausdruck allgemeiner Zuneigung, die man ihm dadurch zu Gute kommen ließ. Natürlich war Kohler alles andere als ein außerordentlich begabter Fußballer, aber das ist zum Glück nicht immer alles, was bei den Fans zählt.
Ihm folgten auf den verschiedenen Plätzen der Nation diverse regionale Fußballgötter, wobei die Fans bei der Auswahl mal mehr und mal weniger Humor bewiesen. In Bremen war es Havard Flo, der so unglaublich verschwenderisch mit Chancen umging, diese aber mit einem genauso netten Lächeln überspielte, dass er diesen Titel sicherlich verdient hat. Zidan in Mainz, Ya Konan in Hannover, Cacau in Stuttgart, Carsten Jancker überall und viele andere folgten später.
Trotz des heidnisch anmutenden Begriffs beweisen die Fans damit einen gewissen Sinn für Religiösität, denn es gibt zur Zeit immer nur maximal einen Fußballgott. So huldigen sie dann doch in gewisser Weise einem ganz besonderen Liebling.
In dem Sinne
Die Situation ist bedrohlich, aber nicht bedenklich
Euer Sportkamerad Sascha00

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